106
n. Bilder aus der Länder- und Völkerkunde.
lust und Sangeskunst in Stadt und
Land! Daß aber des Deutschen eigenstes
Wesen im innersten Kerne gut ist, das
erkennen wir vorzüglich aus dem tiefen
Gefühl für das Heilige, für Recht
und Sitte, wie es im Großen und
Ganzen unserm Volke inne wohnt. Kein
Volk hat das Christenthum so tief in
sich Wurzel schlagen lassen, keines ist
in dem Grade dessen Träger geworden, als
das deutsche. Dem Deutschen ist Reli-
gion kein leeres Wort, er begnügt sich
nicht mit äußeren Formen; ihm wohnen
Christusglaube und Christusliebe leben-
dig im Herzen.
Wohl ist das deutsche Volk oft nur
ein Spielball gewesen in den Händen
seiner gewandtem, thatkräftigern, freilich
auch weniger ehrenhaften Nachbarn; es
hat bei dem Kampfe um große Welt-
fragen oft nur als leidender Zuschauer
Theil genommen, ja es hat sich edle
Glieder an seinem eigenen Leibe abreißen
3) Die dcu
Eines Volkes Geist und eigenstes
Wesen spiegelt sich am treuesten in seiner
Sprache ab. Darum achtet auch jedes
Volk seine Muttersprache hoch und hält
sie in Ehren. Dem deutschen Volke muß
seine Sprache doppelt ehrwürdig und
theuer sein; denn ihr verdankt es seinen
Gesammtnamen, und sie ist zur Zeit fast
noch das einzige Band, welches die getrenn-
ten Glieder der einen Nation umschlingt.
Unter allen lebenden Sprachen ist
die deutsche eine der ältesten, reinsten
und ausgebildetsten; sie ist reich an Wohl-
laut und vereinigt Kraft und Anmuth.
Die deutsche Sprache ist ein Zweig
des germanischen Sprachastes, welcher
außer ihr noch andere, theils schon ab-
gestorbene, theils noch lebende Zweige
getrieben hat; von den ersteren seien ge-
nannt die gothische und angelsächsische
Sprache, von welch' beiden uns schriftliche
Denkmäler überliefert wurden; von den
letzteren die nordischen Sprachen: das
Dänische, Schwedische, Norwegische, Is-
ländische. Der germanische Sprachast aber
ist dem indogermanischen Sprachstamm
entsproßt und hat zu Geschwistern in
Europa den keltischen, griechisch-romani-
lassen. In stille Geistesarbeit versenkt,
im innerlichen Ringen nach Lösung der
höchsten Fragen menschlicher Erkenntnisse
hat es, dem Handeln scheinbar entfrem-
det, den Druck des Auslandes ertragen.
Nie aber hat es sich dauernd in Fesseln
schlagen lassen; wie ein aus dem Schlafe
erwachter Riese hat es dieselben mit
kräftiger Hand stets wieder zerbrochen.
Das Unglück hat die Deutschen immer
wieder zum Bewußtsein ihrer Kraft und
zu erfolgreichem Handeln aufgerüttelt.
Aber, wie gering auch die Macht war,
welche Deutschland in den jüngsten
Jahrhunderten nach Außen besaß, es
hat durch sein allseitiges geistiges Streben,
durch sein inneres Kämpfen und Ringen
das wahre Wohl der Menschheit mehr
gefördert als andere Nationen, welche,
weil sie zu Macht und Reichthum gelangt,
mit stolzer Verachtung glauben auf das
Volk „der Denker und Träumer" herab-
sehen zu dürfen.
schc Sprache.
schen und slavischen Sprachast. Ihre ge-
meinsame Wurzel haben diese Sprachen
im Sanskrit, einer asiatischen, altindischen
Sprache. Wie groß auch in Deutschland
der Unterschied der Mundarten sein mag,
namentlich der Unterschied zwischen Ober-
und Niederdeutsch: die Einheit der Ab-
stammung läßt sich doch nirgends ver-
kennen. Insbesondere ist das Hochdeutsch
allenthalben die Schrift-, Schul-, Kirchen-
und Gerichtssprache und dadurch Gemein-
gut nicht bloß der Gebildeten, sondern.
Dank unserer zahlreichen Volkschulen, auch
des gesammten Volkes geworden.
Die deutsche Sprachgrenze fällt mit der
gegenwärtigen politischen Grenze Deutsch-
lands durchaus nicht zusammen; auch hält
sie sich keineswegs ganz an die natürlichen
Grenzen; sondern bald überschreitet sie diese,
bald bleibt sie hinter denselben zurück.
Im Westen zieht die Sprachgrenze
südlich von Brüssel durch Belgien, wo
sich Deutsch-Flämisch und Französisch-
Wallonisch gegenüber stehen, wendet sich
nach Ueberschreitung der Maas, südlich
von Aachen, der westlichen Grenze Rhein-
preußens und holländisch Luxemburgs
entlang, gegen Süden bis in die Nähe
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T159: [Bewohner deutsche Bevölkerung Sprache Neger Volk Jude Einwohner Stamm Land], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet]]
Extrahierte Ortsnamen: Länder- Europa Deutschland Deutschland Niederdeutsch Belgien Aachen Rhein- Luxemburgs
108
Ii. Bilder aus der Länder- und Völkerkunde.
9. Jahrhundert — behaupten sich noch
mehrere Mundarten gleich berechtigt neben
einander, und es sind die fränkische, ale-
mannische oder schwäbische und bayerische
die vornehmsten. Das Mittelhochdeutsche,
dessen Periode von der Mitte des 12. Jahr-
hunderts anhebt, ist vom Althochdeutschen
schon sehr verschieden. In diesem Zeit-
raum war es namentlich die schwäbische
Mundart, welche durch die Dichter (Minne-
sänger) eine höhere Ausbildung erhielt.
Indessen hat weder die schwäbische noch
die oberdeutsche Mundart überhaupt zu
dieser Zeit ausschließliche Geltung als
Schriftsprache in Deutschland besessen, und
in Niederdeutschland namentlich war auch
die niederdeutsche Mundart Schriftsprache.
Erst zu Anfang des 16. Jahrhunderts
begann ein oberdeutscher Dialekt, der ober-
sächsische, sich zur gemeinsamen Sprache
der Gebildeten Deutschlands zu erheben.
Wenn eine Mundart zu solch' allgemeiner
Anerkennung gelangen sollte, so mußte
sie die schroffen Gegensätze zwischen
Ober- und Niederdeutsch vermitteln, und
das war bei der obersächsischen oder
Meißner der Fall; sie stand, wenn gleich
ihreln Wesen nach oberdeutsch, doch dem
Niederdeutschen nicht gar zu ferne und
die nach Norden offene Lage Sachsens
mußte einer Verbreitung der einheinüschen
Mundart nach Niederdeutschland sehr zu
statten kommen. Hierzu traten noch zwei
begünstigende Umstände: Gegen Anfang
des 16. Jahrhunderts hatte sich in den
sächsischen Ländern eine bessere Art ge-
schäftlicher Prosa (der sächsische Kanzlei-
stil) gebildet, welcher anderwärts um so
leichter Anerkennikng und Nachahmung
fand, als der sächsische Hof damals in
hohem Ansehen stand. Endlich verfaßte
Luther seine bald allgemein verbreitete
Bibelübersetzung in dieser Mundart, was
für ihre Herrschaft entscheidend wurde.
Indessen ist das schriftgemäße Hochdeutsch
keineswegs gleich der obersüchsischen Mund-
art, nicht einmal in der Zeit seiner
frühesten Entwicklung, noch weniger in
seiner gegenwärtigen Gestalt. Es hat
sich dem Einflüsse anderer Dialekte in
gewissem Maße hingegeben und dadurch
an Reichthum und Ausbildung nur ge-
wonnen. Vom 16. Jahrhundert bis auf
den heutigen Tag hat unsere Sprache
wohl noch manchfache Veränderungen
erfahren, ohne daß aber zwischen dem
heutigen Hochdeutsch und dem, welches
Luther schrieb, eine tiefe Kluft läge.
Der unselige Einfluß des dreißigjäh-
rigen Krieges machte sich auch auf die
deutsche Sprache geltend. Besonders nach-
theilig wirkte die Sucht, fremde, zunächst
lateinische und dann französische Wörter
der deutschen Sprache beizumengen. Der
Mißbrauch nahm eine solche Ausdehnung
an, daß in dem zierlichsten Deutsch jener
Zeit fast jedes dritte Wort ein fremdes ist.
Seit dem neuen Aufschwung unserer Dicht-
kunst und, als damit zusammenhängend, der
Veredlung und Läuterung unserer Spra-
che, trat dieser Uebelstand zwar etwas zu-
rück; aber immerhin lassen die meisten unse-
rer Schriftsteller in Bezug auf Reinheit der
Sprache noch manches zu wünschen übrig.
Pflicht ist es für jeden Deutschen,
seine schöne Muttersprache immer besser
und gründlicher kennen zu lernen, immer
tiefer in den Geist derselben einzudringen
und sich möglichste Sicherheit und Ge-
wandtheit in deren schriftlichem und münd-
lichem Gebrauche anzueignen.
„Du Deutscher, weß Standes und
Geschlechts, weß Alters und Berufs du
auch seiest, trage das Deine oazu bei,
daß die Reinheit und Keuschheit und
Kraftfülle deiner Muttersprache gewahrt
bleibe! denn das gesprochene Wort ist
der Leib des Gedankens, und gleichwie
eine gesunde Seele nur in einem gesun-
den Körper wohnen kann, also gelangt auch
nur in einer gesunden, unverfälschten, un-
verstümmelten Volkssprache ein gesunder,
tüchtiger und starker Volksgeist zur Reife."
Was Friedrich Rückert, der wie keiner
sonst ein Meister der deutschen Sprache
war, schon vor 1866 vorausahnend ge-
sungen, das muß in der Gegenwart, wo
wir den Riß durch die deutsche Nation
so tief klaffen sehen, nur um so lauter als
ernste Mahnung an unser Herz schlagen:
„Was habt ihr denn noch Großes, Allge-
meines ?
Welch' Band, das euch als Volk umschließet?
— Seit ihr den Kaiserscepter brechen ließet,
Und euer Reich zerspalten, — habt ihr keines!
Nur noch ein einz'ges Band ist euch geblieben,
Das ist die Sprache, die ihr sonst verachtet;
Jetzt müßt ihr sie als euer Einz'ges
lieben."
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T139: [Donau Rhein Main Tiefebene Teil Jura Alpen Tiefland Gebiet Fluß]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_Rückert Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Länder- Deutschland Niederdeutschland Deutschlands Sachsens Niederdeutschland
H
72. Asien.
Asien ist nicht nur der größte aller
Erdtheile, sondern es steht auch mit allen
übrigen in näherer Berührung, als
irgend ein anderer. Mit Europa und
Afrika hängt es unmittelbar zusammen,
mit ersterem auf der großen Strecke
vom arktischen bis zum schwarzen Meere,
mit letzterem durch die Landenge von
Suez; von Amerika ist es bloß durch
die 8 Meilen breite Behringsstraße ge-
trennt, und überdies bilden die Aleuten
ebenso eine Ueberbrückung von Kamt-
schatka nach der Halbinsel Alaschka, wie
die indische Jnselflur von Hinterindien
nach dem Festland von Australien.
Aber nicht nur durch seine Lage in
Mitte der andern Erdtheile, sondern auch
durch seine innere Beschaffenheit war
Asien vor allen geeignet, die Wiege
des Menschengeschlechtes zu wer-
den. Es vereinigt in sich die Eigen-
thümlichkeiten aller Zonen und Cultur-
verhältnisse, und es konnten hier die
wandernden Bewohner vorbereitet wer-
den für die verschiedenen Landesnaturen
der benachbarten Erdtheile, wohin von
der Mitte, dem kolossalen Hochlande
aus, zahlreiche Stromsysteme, nach den
verschiedenen Richtungen ausgehend, die
Bahn öffneten. Uebereinstimmend mit
den Berichten der Bibel weisen auch die
ältesten Sagen der asiatischen Völker
nach dem Inneren von Asien als Heimat
des Menschengeschlechtes hin, und zwar
wird die Gegend um den Hindu-Khu
als dessen Wiege bezeichnet. Diese An-
nahme erhält durch den Umstand eine
mächtige Stütze, daß das dort heimische
Sanskrit die gemeinsame Wurzel fast
aller europäischen Hauptsprachen bildet.
Asien ist also auch für die Geschichte
des Menschengeschlechtes das Land des
Orients, des Aufganges. Es ist der
Ursitz aller Gesittung, der Ausgangs-
punkt der gesammten Weltgeschichte.
Von Asien aus sind die Völker vorge-
drungen über Nordafrika nach Europa
und haben die Bildung nach Westen ge-
tragen bis hinüber nach Amerika; wie
die Kultur des letzteren eine Tochter ist
der europäischen, so diese eine Tochter
der asiatischen. Ehe man noch wußte,
daß ein Festland Europa als Anhängsel
des großen asiatischen Continents vor-
handen sei, ja vielleicht ehe noch ein
Hirte oder Jäger über die Wolga oder
den Ural vorgedrungen war,, blühten
im Orient schon Reiche, herrschten Könige
in Palästen und Städten über Millionen
von Unterthanen, forschten schon Weise
in den Geheimnissen der Sterne, ließen
schon Priester zu Ehren der Götter ober-
und unterirdische Tempel bauen, kämpf-
ten schon Völker mit Völkern auf Leben
und Tod. Aber diese frühe und glän-
zende Bildung ist auf einem Punkte
stehen geblieben; das Völkerleben in den
Reichen des Ostens hat sich verknöchert,
die Asiaten sind trotz ihres hohen Alters
heute noch unmündige Glieder der Mensch-
heit. Wohl ist der schönste, kraftvollste
und begabteste Menschenstamm, der kau-
kasische, in Asien zu Hause; aber erst
in Europa ist er zur vollen Entwicklung
gelangt. Auch das Christenthum, welches
neues Leben in die versunkene Mensch-
heit brachte, ist asiatischem Boden ent-
sprossen: aber die edle Pflanze mußte
erst nach Europa getragen werden, um
hier zum großen, blüthe- und früchte-
reichen Baume empor zu wachsen.
Der Bildungsstrom, der jetzt von
Europa aus nach allen Gegenden sich
ergießt, wendet sich auch nach Osten,
nach seinem Quelllande, wieder zurück,
und es scheinen insbesondere zwei euro-
TM Hauptwörter (50): [T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T0: [Meer Insel Halbinsel Küste Ozean Afrika Land Europa Kap Straße], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T109: [Europa Asien Afrika Amerika Australien Insel Erdteil Land Zone Klima], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T193: [Meer Halbinsel Gebirge Norden Süden Osten Westen Küste Insel Europa], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T28: [Blatt Blüte Pflanze Baum Wurzel Frucht Stengel Zweig Erde Samen]]
Extrahierte Ortsnamen: Asien Europa Afrika Suez Amerika Alaschka Hinterindien Australien Asien Nordafrika Europa Amerika Europa Asien Europa Europa Europa
154 Ii. Bilder aus der
päische Nationen, die Engländer und
die Russen von der Vorsehung erkoren,
die asiatischen Völker aus ihrem Jahr-
tausende langen geistigen Schlaf auf-
zurütteln und neues Leben in den starren
Massen anzufachen. Freilich zur Höhe
des geistigen Lebens in Europa wird
sich Asien nimmer aufzuschwingen ver-
mögen; denn himmelhohe Berge, weite,
ungeheuere Steppen und Wüsten, un-
fruchtbare Hochflächen trennen dort die
Menschen, daß sie nicht so leicht wie in
Europa zu einer großen, in geistiger
Wechselwirkung stehenden Völkerfamilie
sich einigen können. Die Hochflächen der
Mongolei und Tartarei werden ebenso
wie die Steppenländer Turans immer
von Nomadenvölkern durchzogen werden,
und das sibirische Tiefland, allein schon
so groß als Europa, wird nie der Sitz
eines gebildeten, reichen und freien Vol-
kes sein. Hinwieder nimmt das Wun-
derland Indien, das Italien Asiens,
durch die Pracht und Ueppigkeit seiner
Natur die Sinne gefangen und versenkt
den Geist in ein träumerisches Still-
leben, während in der reichen indischen
Inselwelt die Gluth der heißesten Sonne
alle Thatkraft darnieder hält. Die ge-
mäßigten Länder aber, türkisch Asien,
Persien, China, Japan, sind trotz der
günstigen Natur nicht zu höherer Ent-
wicklung und bürgerlicher Freiheit fort-
geschritten, weil Despotismus der Herr-
scher und Sklavensinn der Beherrschten
jede geistige Regsamkeit verhinderten;
überall, soweit wir unsere Blicke richten
von Westen nach Osten, finden wir
Mißachtung der Menschenrechte, Mangel
an Erkenntniß der Menschenwürde, dar-
um Roheit und Knechtschaft hier wie
dort.
Die Religion Muhamed's war ein
inder- und Völkerkunde.
loderndes Feuer, welches von Arabien
aus eine Zeit lang die angrenzenden
Völkerschaften entzündete und staunens-
werthe Thatkraft in denselben weckte;
allein die Siege des Islam waren nicht
errungen durch die Macht der Wahr-
heit und den sittlichen Gehalt der neuen
Lehre, sondern durch fanatischen Eifer
und durch den Ehrgeiz einzelner Er-
oberer; und es darf uns daher nicht
befremden, daß auch der Muhamedanis-
mus nur zu Despotismus und geistiger
Erstarrung führte. So sehen wir bei
den gebildeteren asiatischen Völkern nur
noch Ueppigkeit und Schlaffheit: das
türkische Reich in Asien ist eben so
morsch als das in Europa, und mit
dem persischen steht es kaum besser;
das alte Indien ist todt; die Reli-
gionen haben ihre Heiligkeit, die alten
Schriftwerke ihr Verständniß, die alten
Sitten ihre Bedeutung verloren; China,
die „Blume der Mitte" ist eine welke
Blume, ein mit Menschen überfülltes
Haus, welches den Einsturz droht; kräf-
tiger noch und bildsamer steht Japan
da, das endlich die unübersteig lichen
Schranken fallen ließ, die es so lange
gegen die Europäer aufgerichtet und so
zähe und mißtrauisch behütet hielt.
Dem Einflüsse Europa's und Nord-
Amerika's vermögen sich die ostasiatischen
Reiche nicht mehr zu entziehen, seitdem
der Dampfer den Ocean durcheilt und
der Telegraphendraht das Erdenrund
umspannt. Ob durch diese Berührung
der Anstoß zu einer Wiederbelebung der
hinsterbenden Reiche gegeben werden,
oder ob eine neue Blüthe derselben erst
aus den Trümmern der zusammenge-
brochenen alten Cultur erstehen wird,
— welcher Sterbliche wollte sich dar-
über ein Urtheil anmaßen? —
73. Palästina.
I.
Wie nirgend die rohe Gewalt oder
die äußere Größe dauernden Sieg hat
in den höhern Anordnungen der Dinge,
sondern die innere Größe, der Kern und
Gehalt, so ist es auch mit den Räumen
des Erdenrundes. Palästina gehört
seinem Umfange nach zu den wenig aus-
gedehnten, ja zu den geringfügigen Län-
dern der Erde, aber sein Name ist unter
allen Erdgebieten der am weitesten aus-
gebreitete ; die Bekenner der drei mono-
theistischen Religionen nennen ihn mit
Ehrfurcht. So weit christliche Ge-
/
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T47: [Wüste Meer Land Nil Hochland Fluß Gebirge Euphrat Tigris See], T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T109: [Europa Asien Afrika Amerika Australien Insel Erdteil Land Zone Klima], T134: [Land Meer Hochland Persien Tigris China Euphrat Iran Asien Armenien], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Extrahierte Personennamen: Palästina Palästina
Extrahierte Ortsnamen: Europa Europa Mongolei Europa Indien Italien_Asiens Asien Persien China Japan Asien Europa Indien China Japan
76. Die japanischen Inseln und ihre Bewohner.
161
wässert, geben noch eine reiche Ernte;
aber dennoch würde der Boden den An-
forderungen der großen Bevölkerung
kaum genügen können, wenn nicht die
frugale Lebensweise der Japaner un-
glaubliche Quellen in den scheinbar un-
fruchtbarsten Gegenden fände.
Ein lachendes Bild des Landes bil-
det die Pflanzenwelt. Während der Mo-
nate Februar, März und April bedecken
schon Blumen den Boden, und selbst
schon gewisse Früchte kommen im Süden
vor. Die herrlichen, 25—30 Fuß hohen
Büsche der Camelia japanica in voll-
ster Blüthe bilden mit den üppig grü-
nen Weizen - und Reisfeldern einen
lieblichen Gegensatz zu den mit Schnee
bedeckten Gebirgen. Im Mai wetteifert
die Thätigkeit der Menschen mit der
schaffenden Natur, und ein lachendes
Grün erfrischt und entzückt das Auge,
das im Juni, tiefer und voller sich fär-
bend, den Sommer verkündet.
Das Bambusrohr, die Palme und
der Bananenbaum breiten ihre zierlichen
Zweige aus, und die Orangen und
tausend andere süßduftende Pflanzen
erfüllen die Luft mit ihren Wohlgerüchen.
Im Juli wird die erste Ernte heimge-
bracht, und die gleich darauf eintretende
Regenzeit bereitet den Boden für die
zweite Saat. Im September und Ok-
tober bilden schon Herbstblumen ein
zweites Frühjahr, und der später ein-
tretende Winter gestattet der Natur eine
kurze Ruhe, aus der sie im nächsten
Frühjahr zu neuer Thätigkeit erwacht.
2. Der Ursprung der Japaner ist
ungemein schwer zu bestimmen; sie selbst
betrachten sich als Stammvolk und wei-
sen jede Andeutung eines gemeinschaft-
lichen Ursprungs mit den Chinesen voll
Abscheu zurück. In körperlicher Bil-
dung, in Religion, Sitten und Gebräu-
chen, sowie nach natürlichen und gei-
stigen Anlagen sind sie in der That sehr
verschieden von den Chinesen. Die Kü-
stenbewohner sind meistens Fischer und
Seeleute, ein kleiner, kräftiger Menschen-
schlag mit ziemlich gebräunter Haut-
farbe. Diese Leute sind sehr thätig,
gutmüthig, intelligent und gewähren mit
ihren nicht unschönen Gestalten, lebhaf-
ten Augen, schwarzen Haaren und leicht
Marschall, Lesebuch.
gebogenen Nasen eine angenehme Er-
scheinung. Die Bewohner der großen
Städte und der Ebenen im Innern des
Landes haben eine etwas größere Ge-
stalt mit vorstehenden Backenknochen und
flacher Nase. Es sind meist wohlgebil-
dete Leute, fast durchgängig von ange-
nehmem Aeußern, weißer Hautfarbe und
guten Sitten. Im Norden der Insel
Peffo tritt ein kleiner Schlag Menschen
aus, einen Mittelschlag zwischen den Ka-
nakus der Südsee-Jnseln und den Es-
kimos des Nordens bildend.
Die Japaner sind gesellig, lieben
Gastmähler, allerdings sehr frugaler
Natur, trinken gern Thee und rauchen
zur Unterhaltung und Erholung. Bei
großen Festen sucht der Wirth beson-
ders seinen Reichthum in Porzellan und
lackirten Geschirren zu entfalten; ebenso
ist die Ausschmückung des Saales eine
Hauptsache, das Mahl selbst nur Ne-
bensache. Die Japaner sind ferner große
Liebhaber der Musik; der Tanz wird
jedoch ausschließlich von Frauen ausge-
führt. Karten und Würfel sind verbo-
ten; Schach ist jedoch sehr beliebt, ebenso
Ballspiel, Bogenschießen, Gondelfahrten
auf den Seen und Flüssen, und es zeich-
nen sich alle ihre Unterhaltungen durch
die Beobachtung eines großen äußeren
Anstandes aus. Hinsichtlich der geisti-
gen Fähigkeiten stehen die Japaner mit
ihren westlichen Nachbarn, den Chinesen,
nicht allein auf gleicher Stufe, sondern
scheinen sie noch zu übertreffen. In
mancher Beziehung können sie mit den
gebildetsten europäischen Nationen wett-
eifern. Sie sind auch nicht unempfäng-
lich für europäische Bildung und Ge-
lehrsamkeit, und unterscheiden sich darin
zu ihrem Vortheile von den hochmüthi-
gen Chinesen, die ihre Anschauungsweise
für die allervollkommenste halten. Wie
weit die allgemeine Bildung im japa-
nischen Reiche vorgeschritten ist, geht
schon daraus hervor, daß es in Japan
kaum einen Menschen gibt, der nicht
lesen und schreiben könnte und nicht mit
den Gesetzen seines Vaterlandes ver-
traut wäre.
Die Kinder werden in einer strengen
Disciplin erzogen und die Elementar-
schulen von Knaben und Mädchen be-
ll
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
77. China.
163
Meere, im Westen und Norden von
Bergen und Wüsteneien eingeschlossen,
konnten die Bewohner dieser Länder,
sobald sie nicht zu sehr verweichlichten,
mit leichter Mühe alle Einfälle der um-
wohnenden Nachbarn zurückschlagen. Es
sind diese Länder zudem fruchtbar und
anmuthig in hohem Grade; sie werden
weder von unübersteiglichen Gebirgs-
ketten, noch von Wüsten und Steppen
durchzogen; der Boden bringt Alles in
Fülle hervor, was der Mensch zur Er-
haltung, zur Erheiterung und Verschö-
nerung des Lebens bedarf. Die zahl-
reichen großen und kleinen Flüsse, die
nach allen Richtungen das Land durch-
schneiden, erleichtern die Verbindung
und befördern den Austausch der Er-
zeugnisse zwischen dem Süden und Norden.
In diesen herrlichen Gegenden des
asiatischen Festlandes hat sich, wie es
scheint, viel früher als sonst wo auf
Erden, eine Menschenfamilie gesammelt
und einen regelmäßigen Staat einge-
richtet. In den westlichen Kreisen des
heutigen Mittelreiches, auf dem Gebiete
zwischen dem Hoango im Norden und
den Kiang im Süden, wurden von der-
jenigen Abtheilung Mongolen, welche
wir später unter dem Namen des chine-
sischen Volkes kennen lernen, die Grund-
normen der künftigen staatlichen, reli-
giösen und bürgerlichen Verfassung ent-
worfen, wenn anders die Urväter die-
selben nicht bereits schon von den be-
nachbarten Gebirgen mitgebracht hatten.
Die Nachkommen schritten auf der von
ihren hochgeachteten Herrschern vorge-
zeichneten Bahn fort und bestrebten sich,
die Civilisation der Mitte nach allen
Weltgegenden zu verbreiten. Die rings-
um wohnenden rohen Haufen, die drei-
fach getheilten Tataren, die Mongolen,
Türken und Tungusen im Norden; Ja-
pan und die andern Inseln im östlichen
Meere; die Laos und Anamesen im
Süden: sie alle wurden theils im Frie-
den, theils mit Waffengewalt in das
chinesische Reich gezogen und sohin auch
in das Kultursystem der Chinesen. Diese
sind die Griechen und Römer im östli-
chen Asten. — Das römische Reich ging
unter dem manchfachen wiederholten An-
dränge der Barbaren zu Grunde; seine
Religion, seine Staats- und bürgerlichen
Einrichtungen, Sitte, Gesetz und Sprache
sind bis auf wenige Reste verschwun-
den, verkehrt und umgewandelt worden;
China dagegen widerstand und wider-
steht viel zahlreicheren Barbarenschwär-
men seit vier Tausenden von Jahren.
China widerstand und widersteht allen
fremden, das Land umgarnenden Reli-
gionen upd Kultursystemen; an seinem
unwandelbaren Sinne sind Buddhais-
mus, Mohamedanismus und Christen-
thum abgeprallt. Trotz der mehrmali-
gen Eroberungen von China mögen
diese blos theilweise oder gänzliche ge-
wesen sein, wie von Seite der Mon-
golen und Mandschu, blieben Glauben
und Regierungsweise, Sprache und
Schrift des Mittelreiches unverändert.
Die chinesische Kultur ward in diesen
Stürmen, wo Alles zu Grunde zu gehen
schien, so mächtig befunden, daß sie in
wenigen Jahren den wilden Sinn der
barbarischen Zwingherren unterjochen
und ihn auf chinesische Weise umgestal-
ten konnte. Mongolen und Mandschu
sind bereits in der zweiten Generation
Chinesen geworden. Es stehen also
heutzutage unter der Herrschaft der
Himmelssöhne in Folge der Ausdeh-
nung dieses ungeheuren Reiches eine
Menge der ungleichartigsten, ja der
anscheinend unvereinbarsten Nationali-
täten.
Da man aber vom nördlichen Asien
leicht hinab in die Thalebene und Ge-
birgsgegenden des Mittelreiches gelangt,
indem kein Riesenstrom, keine Gebirgs-
kette hier eine natürliche Scheidewand
bildet, so sollte die Kunst den Mangel der
Natur ersetzen; es wurde vor etwa 2000
Jahren die berühmte große Mauer im
Norden von China, längst der Grenzen
der drei Provinzen erbaut. Sie erhebt
sich bis zu den höchsten Bergeshöhen
und geht bis zu den tiefsten Thälern
hinab und durchschneidet über großen
Bogen sogar die Flüsse. Aber sie erwies sich
als unwirksam. Türken, Mongolen und
Tungusen durchbrachen die riesigen Schutz-
wälle und Mauern und vernichteten in
ihrem wilden, unvernünftigen Grimme
die geistigen und physischen Saaten der
Südländer. Diese mußten nun, woll-
11*
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T47: [Wüste Meer Land Nil Hochland Fluß Gebirge Euphrat Tigris See], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T50: [Klima Land Meer Gebirge Europa Zone Norden Küste Süden Winter]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T134: [Land Meer Hochland Persien Tigris China Euphrat Iran Asien Armenien], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T159: [Bewohner deutsche Bevölkerung Sprache Neger Volk Jude Einwohner Stamm Land], T193: [Meer Halbinsel Gebirge Norden Süden Osten Westen Küste Insel Europa]]
Extrahierte Ortsnamen: China Laos China China China China
164
Ii. Bilder aus der Länder- und Völkerkunde.
ten sie ihres Lebens und Besitzthums
sicher sein, die ungestümen Menschen-
racen in ihrer Heimat aufsuchen, sie
zur Kultur erziehen und durch klug er-
sonnene Bande auseinander halten, da-
* mit sie nicht, zu einer Masse zusammen-
schmelzend, die Tieflande überschwem-
men und unterjochen möchten. Selbst
die große Wüste, welche China von
Mittelasien trennt, mußte, weil sie keine
hinreichende Schutzwehr gegen die No-
madenvölker darbot, überschritten wer-
den, um jenseits derselben, in den Län-
dern Mittelasiens, die Gefahren zu er-
sticken, welche den nordwestlichen Kreisen
des Reiches drohten. Dies ward auch
an andern Grenzen, im Westen, Süden
2) Die chin
China bietet das Bild einer rein
materiellen Kultur, die sich mit dem
äußern Leben abfindet, so gut es gehen
will, ohne alles ideale Streben, somit
ohne allen wahren lebendigen Fortschritt.
Religion, Kunst und Wissenschaft bleiben
im Materiellen stecken, selbst die Lehre
eines Konfutse (etwa 500 Jahre vor
Christus) war keineswegs eine für hohe
Ideen begeisternde Religion, sondern
eine praktische Sammlung moralischer
Regeln, zu Nutz und Frommen des
Lebens in beschränktem Kreise. Die
Sorge für ein angenehmes materielles
Leben entwickelt wohl den Verstand,
aber sie macht ihn spitzfindig, abgefeimt,
wenn die ideale Seite des Lebens ab-
stirbt. — Eine Hauptursache der Ver-
sumpfung chinesischer Kultur liegt in
der Abgeschlossenheit dieses großen Rei-
ches. China ist ein sehr fruchtbares,
an Erzeugnissen aller Art ungemein
reiches Land, aber dennoch kann sich nie
ein Land zum eigenen Vortheil von der
übrigen Welt abschließen. Nicht einem
Volke, und zähle es auch 400 Millionen,
ist es gegeben, Alles zu erfinden, Alles
zu vervollkommnen. Im Menschenleben
ist die Geselligkeit nicht allein eine Quelle
der Freude und des Glückes, sondern
auch gebieterische Nothwendigkeit, eine
heilige Pflicht. Kein Volk hat mehr
Erfindungen gemacht, als die Chinesen,
aber es ist ein Gesetz, daß eine Erfin-
und Osten für nothwendig befunden;
in den Alpengegenden Tibets, auf den
Inseln des östlichen Meeres und in den
Ländergebieten zwischen dem Jrawaddi
und dem Meerbusen von Tongking. Der
ganze Flächeninhalt des Mittelreiches
mag dem des russischen Reiches in Asien
gleichkommen und sich ungefähr auf ein
Drittheil des asiatischen Festlandes, d. h.
270,000 geographische Quadrat-Meilen
belaufen. Die Bevölkerung des chine-
sischen Reiches wird mit Einrechnung
der 27^2 Millionen Mongolen, Tun-
gusen, Tibetaner und Türken zu 400
Millionen angegeben, und es ist das
himmlische Reich mithin das volkreichste
der ganzen Erde.
ifche Kultur.
düng durch die Welt gehen muß, um
sich Zu vervollkommnen. Abgeschlossen
auf der Landseite durch eine berühmte
Mauer und durch Wüsteneien, abge-
schlossen auf der Meerseite durch tyran-
nische Verordnungen hat China einen
großen Theil seiner Erfindungen in
ihrem ursprünglichen Zustande behalten,
ja manche wieder eingebüßt. Der Com-
paß, den uns die Araber im Mittel-
alter aus China zuführten, war hier
schon 1700 Jahre vor Christus bekannt.
Schießpulver und andere brennbare Zu-
sammensetzungen zu glänzendem Feuer-
werk hatten in China schon längst An-
wendung gefunden, bevor das Schieß-
pulver in Europa auf das Kulturleben
umgestaltend einwirkte; aber die chine-
sischen Feuergewehre sind Kinderspiel-
zeuge geblieben, die vor europäischer
Artillerie aus einander stieben. Sie
haben sich von jeher auf das Schneiden
und Poliren von Steinen und Metallen
verstanden, aber zu großen Maschinen,
wie sie das europäische Fabrikwesen
kennt, haben sie es nicht gebracht. Ihre
mechanischen Mittel beschränken sich auf
den Hebel, die Rolle, den Wellöaum
und auf das einfache gezahnte Rad.
In der Optik haben sie niemals die
Konstruktion eines Fernglases oder Te-
leskopes begreifen können. Ihre Mathe-
matik umfaßt bloß das Rechnen und
die ersten Elemente der Meßkünst. Die
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T47: [Wüste Meer Land Nil Hochland Fluß Gebirge Euphrat Tigris See], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter]]
TM Hauptwörter (200): [T134: [Land Meer Hochland Persien Tigris China Euphrat Iran Asien Armenien], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm]]
Extrahierte Personennamen: Christus Christus
Extrahierte Ortsnamen: Länder- China Mittelasien Mittelasiens Süden China China Tibets Jrawaddi Asien China China China Europa Wellöaum
78. Nomadenleben in den asiatischen Steppen.
165
Bereitung des Porzellans aber er-
reichte bei den Chinesen einen so hohen
Grad von Vollkommenheit, daß man in
Europa die größte Mühe hatte, sie nur
einigermaßen nachzuahmen. Sie hatten
da längst die Theilung der Arbeit, wie
wir sie jetzt in unsern Fabriken anwen-
den. Doch gestehen sie, daß heutzutage
ihre Arbeiter nicht mehr so vorzügliche
Porzellanwaaren liefern, als es vor
mehreren Jahrhunderten der Fall war.
Es ist bewunderungswerth, was der
Chinese mit geringen Mitteln zu leisten
versteht. Aus dem Bambus verfertigt
er tausenderlei Sachen, sogar ein feines
Papier; das chinesische Baumwollenzeug,
der Nanking, ist in der ganzelr Welt
berühmt; der geblümte Atlas, auf einem
einfachen Webstuhle bereitet, ist noch
heute musterhaft. Aber die europäische
Kultur wird sie auch bald hierin über-
flügelt haben, und das Geheimniß ihrer
Tusche und trefflichen Farben ihnen ab-
lauschen.
Die Chinesen sind der Bilder- und
Symbolschrift treu geblieben, mit welcher
alle Völker begonnen haben, weil ein
Bild für den bezeichneten Gegenstand
das Einfachste schien, so lange man
noch wenig zu bezeichnen hatte. Aber
sobald ein Volk sich aus dem Zustand
der Rohheit herausgearbeitet hat, muß
es zu den Lautzeichen übergehen und
ein Alphabet haben, das mit einer ge-
ringen Anzahl von Zeichen alle mög-
lichen Sprachlaute darstellt. Die Chi-
nesen haben das Ueberlieferte zäh fest-
gehalten und nichts weiter gethan, als
daß sie neue Zeichen erfanden für die
neuen Ideen, die ihnen zuströinten, wo-
mit ihr Vorrath von Schriftzeichen so
anwuchs, daß das Behalten derselben
immer schwieriger wurde.
Die Chinesen sind ein passives Kul-
turvolk; es fehlt ihnen die Energie,
jene unruhige Kühnheit, welche „die
Race Japhets" auszeichnet. Zur lebens-
kräftigen Civilisation gehört nicht bloß
Verstand, sondern auch Kraft. Der
Chinese ist verständig, aber es fehlt ihm
das energische Temperament. Der Chinese
ist nicht so weich wie sein Nachbar, der
Hindu, aber er ist doch viel zu weich,
kräftigeren Stämmen Asiens gegenüber.
Darum wurde das Reich der Mitte
mehrere male von einer Handvoll Ta-
taren erobert, darum erträgt es die
Tyrannei, darum hat es sich durch arg-
wöhnische und gebieterische Herren von
andern Nationen abschließen lassen, ob-
wohl die Chinesen ein echtes Handels-
volk sind.
78. Nomadenleben in
1. Es ist nahe an der Mittagsstunde.
Eine Kirgisenfamilie, die Haus und Ge-
räthschasten auf einige Kameele gepackt
hat, zieht langsam in Begleitung der
Heerde einem Orte zu, den ihr ein Reiter
mit erhöhter Lanze in der Ferne an-
deutet. Die Karavane ruht nach noma-
dischem Begriffe, wenn sie wandert,
rege aber wird sie dann, wenn sie sich
niederläßt, also nach unseren Ansichten
zu ruhen anfängt. Die auf den Ka-
meelen sitzenden älteren Weiber — denn
die jüngeren gehen zu Fuß — gönnen
sich auch beim Wandern die Ruhe nicht
vollkommen, sondern spinnen aus dem
gröberen Theil der Kameelhaare Garn
zu Säcken. Nur die heirathsfähige Tochter
der Familie hat das Vorrecht, auf dem
schaukelnden Thiere in vollem Müßig-
en asiatischen Steppen.
gange sich zu bewegen. Ihr einziges
Geschäft besteht darin, das aus russischen,
altbaktrischen, mongolischen und chiwi-
tischen Münzen zusammengesetzte Hals-
gehänge zu putzen; und so vertieft ist
sie in ihre Arbeit, daß ein europäischer
Numismatiker sie für eine Fachkenner in
halten würde. Endlich hat man den
bezeichneten Ort erreicht. Ein Städte-
bewohner würde nun glauben, daß der
größte Wirrwarr entstünde; doch nein!
— Alles hat sein Amt, Alles seinen
Beruf, Alles seine bestimmte Aufgabe.
Während der Familienvater seinem ab-
gekühlten Pferde den Sattel abnimmt,
um es auf die Weide zu entlassen, ver-
sammeln die jüngeren Bursche, da es
um die Melkzeit ist, die zum Herum-
schweifen sehr geneigte Heerde der Schafe
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T134: [Land Meer Hochland Persien Tigris China Euphrat Iran Asien Armenien]]
6
Damals, als diese unser Vaterland kennen lern-
ten , war dasselbe noch großentheils ein Waldland.
Von der Theiß in Ungarn, ja von noch östlicheren
Gegenden her, zog sich der ungeheure orkynische Wald
bis zu dem Gebirge hin, auf welchem die Donau
entspringt; in Deutschland erreichte er eine Breite
von vielen (man sprach von neun) Tagmärschen; in
ihm hausten, zugleich mit dem gewöhnlichen Wild-
pret unserer Wälder die Schaaren der Bären, Viel-
frafse und Wölfe, Auerochsen, Elennhirsche und Bi-
der; im undurchdringlichen Dunkel der Zweige und
Felsenklüfte heulten Schuhu und Eule. Nordwärts
von diesem Waldlande, so wie selbst in seinem In-
nern, da wo lichtere Stellen dem Wiesengrund Raum
gaben, lebten einzelne Völkerschaften dqr Deutschen in
^patriarchalischer Einfalt; im Süden des orkynischen
Waldes, jenseits der Donau, :war das Land der
Bojer, das von den Quellen der Donau bis gegen
Ungarn sich erstreckte, und dessen Volksstamm zugleich
im Besitz von Böhmen. (deßhalb noch jetzt Bojohe-
mum oder Bojötheimath genannt) so wie von Kärn-
then und Steyermark war. Das .Innthal, so wie
die Gegend um oberen Lech und Graubündten, be-
wohnten die Bindelicier (Wenden); das südliche
Tyrol.die Rhätier.
A>lle diese Völkerschaften sind .zwar nur Zwerge
des gemeinsamen, indogermanischen Stammes undäin
ältester Zeit mag die Sprache wie die Religion 'und
Volkssitte bei den Deutschen wie bei den Selten'.'nicht
so ganz verschieden gewesen seyn; dennoch war im
Verlaus der Zeiten die votksthümliche Besonderheit
zwischen den Galliern (Selten) und Deutschen eine
so augenfällige geworden , daß der gemeinsame 'Ur-
TM Hauptwörter (50): [T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau]]
TM Hauptwörter (100): [T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T18: [Donau Stadt Ungarn Böhmen Wien Hauptstadt Land Einw. Königreich Mulde], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T14: [Gebirge Wald Teil Höhe Berg Harz Thüringer Bergland Gebirg Weser], T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere], T192: [Italien Reich Gallien Volk Land Römer Donau Hunnen Jahr König], T153: [Donau Ungarn Land Hauptstadt Böhmen Königreich Wien Stadt Galizien Siebenbürgen]]
Extrahierte Ortsnamen: Ungarn Donau Deutschland Elennhirsche Donau Donau Ungarn
129
erblich geworden, nach denen man die verschiedenen
Völker der Erde in 5 Schläge oder Rassen eintheilt-
Die Menschenschläge.
H. 92. Der kaukasische Menschenschlag
unterscheidet sich durch eine mehr oder minder weiße
Farbe der Haut, durch ein vollkommneres Ebenmaaß
der einzelnen Theile des Gesichtes, gleichmäßigere
Entwicklung aller Hauptorgane des Leibes. Zu die-
sem Menschenschläge gehören alle Europäer, mit Aus-
nahme der Lappländer, dann die meisten Bewohner
des westlichen Asiens dießseits des Ob, des kaspi-
schen Meeres und des Ganges, ferner die Völker
des nördlichen Afrikas und die Millionen der in
Amerika einheimisch gewordnen Europäer. Man darf
annehmen, daß dieser Menschenschlag nahe ein
Drittel aller Bewohner der Erde sey.
Der mongolische Menschenschlag zeichnet
sich durch seine meist weizengelbe Gesichtsfarbe, das
sparsame, schwarze, straffe Haar, enggeschlitzte, dicke
Augenlieder, plattes Gesicht und nach beyden Seiten
stark hervortretende Backenknochen aus. Zu ihnen gehö-
ren die seit Jahrtausenden in engerer Abgeschlossenheit
lebenden Völker des östlicheren Asiens, mit Ausnahme
der Malayen, dann in Europa die Lappländer, im
nördlichsten Amerika die Eskimos. Bey. der außer-
ordentlichen Bevölkerung der südöstlichen Länder von
Asien darf man voraussetzen, daß mehr denn ein
Drittel der Erdbewohner der mongolischen Raffe
angehören.
Der äthropisch e Menschenschlag oder je-
Lehr-u. Lesebuch Iii. Abth. 9
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau]]
TM Hauptwörter (200): [T159: [Bewohner deutsche Bevölkerung Sprache Neger Volk Jude Einwohner Stamm Land], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T109: [Europa Asien Afrika Amerika Australien Insel Erdteil Land Zone Klima], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm]]
Extrahierte Ortsnamen: Asiens Afrikas Amerika Asiens Europa Amerika Asien